Stoßwellenlithotripsie: Zertrümmerung von Nierensteinen

Stoßwellenlithotripsie: Zertrümmerung von Nierensteinen
Stoßwellenlithotripsie: Zertrümmerung von Nierensteinen
 
Die häufigsten Erkrankungen von Niere, Harnleiter, Blase und Galle sind Steine, die aus unlöslichen kristallinen Ablagerungen bestehen. Diese Ablagerungen bilden sich in der Niere und in den ableitenden Harnwegen bei Störungen des Calcium- und des Harnsäurestoffwechsels. Die Größe der Steine reicht von Reiskorn- über Erbsengröße bis hin zu den Korallensteinen, die das ganze Nierenbecken ausfüllen können. Die Anwesenheit der Steine kann sich bei einer Nierenkolik mit heftigsten Schmerzen bemerkbar machen. Kleinere Nieren-, Blasen- und Harnleitersteine werden normalerweise unbemerkt vom Harn ausgespült. Wenn sie jedoch eine bestimmte Größe überschreiten und stecken bleiben, verursachen sie dem Patienten große Schmerzen. Bis in die 1980er-Jahre wurden Nierensteine ausschließlich chirurgisch entfernt, was regelmäßig zu einer Schädigung des Nierengewebes führte und bei Folgeoperationen häufig den Verlust der Niere zur Folge hatte. Heute werden nur noch ein bis zwei Prozent aller Fälle, bei denen andere Verfahren aufgrund von Komplikationen nicht angewendet werden können, chirurgisch behandelt. 80 bis 90 Prozent aller Fälle lassen sich inzwischen mit der Stoßwellenlithotripsie (griechisch lithos: Stein und tribein: reiben, abnützen) berührungsfrei und ohne Schnitt behandeln. Die Steine werden bei diesem Verfahren durch Ultraschallstoßwellen zertrümmert, die Bruchstücke werden danach auf natürlichem Wege ausgeschwemmt. Der Ultraschall wird entweder von außerhalb des Körpers auf die Steine eingestrahlt, dies nennt man »extrakorporale Stoßwellenlithotripsie« (ESWL); oder es wird eine Ultraschallsonde mit einem Endoskop an den Ort der Steine herangebracht (Laserlithotripsie, LLT). Bei Gallensteinen ist die Lithotripsie im Gegensatz zu den Nierensteinen nicht das Mittel der Wahl, da die Steintrümmer hier nicht auf natürliche Weise ausgespült werden.
 
 Extrakorporale und laserinduzierte Stoßwellenlithotripsie
 
Bei der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) werden Ultraschallwellen mit einer Frequenz von etwa 100 Kilohertz und sehr hoher Intensität auf die Steine gelenkt. Die übertragenen Stoßwellen zerstören die harten Steine. Ein ESWL-Gerät besteht aus einem Röntgen- oder Ultraschalldiagnosegerät zur genauen Ortung der Steine, aus mehreren Wandler genannten Ultraschallerzeugern und aus Vorrichtungen zur Fokussierung des Ultraschalls. Nachdem die Lage des Steins genau ermittelt wurde, werden die Ultraschallwandler so ausgerichtet, dass der Stein von allen Wandlern gleichzeitig beschallt wird, das heißt die maximale Ultraschallenergie auf den Stein fokussiert ist. Das weiche Körpergewebe in der Umgebung des Steins wird von den Ultraschallwellen nicht ernsthaft geschädigt, höchstens durch geringfügige Absorptionsvorgänge gereizt. Die Ultraschallstoßwellen erregen in dem spröden Stein mechanische Schwingungen, die ihn letztendlich zersprengen. Die Übertragung des Ultraschalls von den Ultraschallwandlern auf den Körper geschieht entweder in einem Wasserbad oder mithilfe von Gelkissen, da Luft eine effiziente Übertragung unmöglich macht.
 
Der Vorteil der ESWL ist, dass keinerlei Geräte in den Körper eingeführt werden müssen. Steine, die sich in unmittelbarer Nähe von Knochengewebe befinden, lassen sich von außen aber nicht zerkleinern, da das Knochengewebe die Stoßwellen absorbiert. So liegen beispielsweise die Gallengänge oder der Harnleiter im Knochenschatten. In diesem Fall bietet sich als Alternative die laserinduzierte Stoßwellenlithotripsie (LLT) an. Mithilfe von Endoskopen wird ein Laserstrahl an den Stein herangeführt. Der gepulste Laserstrahl erzeugt in unmittelbarer Nähe des Steins eine Dampfblase, die nach dem Ende des Laserpulses in sich zusammenfällt und mit dem nächsten Puls neu entsteht. Auf diese Weise werden im Körperinnern Ultraschallstoßwellen erzeugt, die Steine zertrümmern. Dieses Verfahren ist für das umliegende Gewebe wesentlich schonender als die extrakorporale Lithotripsie, da diese die Ultraschallleistung nicht völlig auf den Stein beschränken kann.
 
 Sicherheitstechnische Aspekte
 
Bei der Ultraschallstoßwellenlithotripsie müssen generell dieselben Vorsichtsmaßnahmen wie bei anderen Ultraschallanwendungen, etwa der Sonographie, getroffen werden. Vor allem ist zu beachten, dass ab einer Leistung des Ultraschalls von einem Watt pro Quadratzentimeter Zellen und Erbsubstanz geschädigt werden; die eingestrahlten Ultraschallstoßwellen müssen also auf jeden Fall unter dieser Schwelle liegen. Speziell bei der Lithotripsie ist zu berücksichtigen, dass zu große Bruchstücke der zerstrahlten Steine zu starken Schmerzen führen können. Auch kann es zu Blutungen kommen, sodass viele Patienten nach einer Ultraschalllithotripsie Blut im Urin haben. Daher sollten gerinnungshemmende Mittel wie beispielsweise Aspirin vor einer Lithotripsiebehandlung abgesetzt werden.
 
Dr. Harald Münch, Heidelberg und Dipl.-Phys. Renate Jerei, Heidelberg
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Endoskopie und minimal invasive Chirurgie

Universal-Lexikon. 2012.

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